FCA: Tradition oder Kommerz – Wir machen es uns zu einfach!

Dienstag, 18. Januar 2022, 13:24 Uhr Marc Gerstmeyr

Rasensprenger: Die Kolumne des Bundesligisten FC Augsburg von Moritz Winkler

Es ist ein Thema, dass den Fußball seit Jahren emotionalisiert. Wie viele Investoren und externe Geldgeber möchte man bei Bundesligavereinen zulassen? Für die Fans ist die Welt hier oft zweigeteilt, in saubere Traditionsvereine und die schmutzigen Kommerzclubs, die deutschen Fußball zerstören. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Ich bin ehrlich. Auch für mich hatte diese Trennung lange Zeit Bestand. Wenn mein FCA vor einigen Jahren gegen die TSG Hoffenheim, Bayer 04 Leverkusen oder den VfL Wolfsburg verloren hat, dann lag das nicht daran, dass man spielerisch unterlegen war, sondern am erkauften Erfolg der anderen. Denn natürlich war mein FCA einer von den Guten!

Vielleicht fragt sich der eine oder andere nun, warum ich das ausgerechnet jetzt zum Thema mache. Das liegt daran, dass sich die Außenwahrnehmung des FC Augsburg spätestens seit dem Einstieg von Investor David Blitzer massiv verändert hat. Vorbei sind offenbar die Zeiten, in denen der FCA im Rest der Republik als kleiner Verein wahrgenommen wurde, der sich seit über zehn Jahren aus eigener Kraft in der Bundesliga hält. Auf einmal sollen auch die Fuggerstädter ein böser Investorenclub sein, die sich nur durch die Gelder eines amerikanischen Milliardärs solche Spieler wie Ricardo Pepi leisten können. Dass das so nicht stimmt, habe ich bereits in der letzten Kolumne aufgezeigt.


Dennoch ist es schon erstaunlich, mit welcher Wucht dieses Thema nun auf einmal gerade in den sozialen Medien diskutiert wird. Dabei hat sich an den Strukturen des FC Augsburg durch den Einstieg Blitzers überhaupt nichts verändert. Um es kurz zu machen: Der FCA ist beides, sowohl Traditions- aber auch Investorenclub! Seit der Ausgliederung der Profiabteilung im Jahr 2005 hatte man beim FC Augsburg immer auch externe Geldgeber, zeitweise sogar einige, deren Namen man nicht einmal kannte. Investoren sind in der Bundesliga an sich auch nicht verboten, solange die 50 plus 1 Regel eingehalten wird. Und das ist trotz aller Vorwürfe beim FC Augsburg weiterhin der Fall.


Der Kommerz ist längst ein Teil der Liga
Sicherlich kann man als Traditionalist den Einstieg von solchen Geldgebern ablehnen und die dadurch entstehende Kommerzialisierung anprangern. Das wurde von Fans der sogenannten Traditionsvereine in den letzten Tagen im Zuge des Pepi-Transfers auch massiv getan. Ich will hier aber auch gar nicht nur auf die anderen zeigen, auch ich als Augsburger habe in der Vergangenheit den mahnenden Zeigefinger bei den Geschäften anderer Vereine gehoben, die angeblich nur durch außenstehende Geldgeber zustande kamen. Doch belügen wir uns auf diese Weise nicht selbst? Hat die so häufig kritisierte Kommerzialisierung in der Bundesliga nicht längst sämtliche Vereine erfasst. Oder anders formuliert: Gibt es den sauberen Traditionsverein in der Bundesliga überhaupt noch?


Schauen wir beispielsweise nur auf den letzten Gegner des FCA: Eintracht Frankfurt. Keiner dürfte bestreiten, dass die Hessen mit einer 120 Jahre langen Vereinsgeschichte und als Bundesligagründungsmitglied einer der traditionsreichsten Klubs in Deutschland sind. Mit den enormen Erfolgen der letzten Jahre und der überaus aktiven Fanszene gilt die Eintracht für viele gerade auch international als Inbegriff der ehrlichen deutschen Fußballkultur. Doch auch hier spielt der sogenannte Kommerz längst eine Rolle und das nicht nur, weil man lange Zeit seine Spiele in der Commerzbank-Arena ausgetragen hatte. Wie auch der FCA haben die Frankfurter ihre Profiabteilung Anfang der 2000er Jahre ausgegliedert und damit für Investoren geöffnet. So erhielt die SGE erst im letzten Jahr einen neuen Aktionär, der 22 Millionen Euro in die durch Corona klammen Kassen spülte. Gleichzeitig erhielten die Frankfurter 2020 aufgrund der Pandemie Staatsgelder in Höhe von 16 Millionen Euro. Inwieweit das moralisch legitim ist, lässt sich durchaus hinterfragen, der FCA hat zumindest bisher auf solche Unterstützung verzichtet.


Dass Fußballvereine überhaupt solche Mittel in Anspruch nehmen können, liegt daran, dass sie als Unternehmen gelten und damit im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbranchen nicht benachteiligt werden. Der Fußball ist längst ein millionenschweres Geschäft, in dem die Vermarktung und Beschaffung finanzieller Mittel neben dem sportlichen Erfolg oberste Priorität hat, auch wenn das gerade die alteneingesessenen Clubs nur ungern zugeben möchten.
Borussia Dortmund geriert sich beispielsweise in Abgrenzung zu RB Leipzig und Bayern München gerne als letzte echte traditionelle Spitzenmannschaft der Bundesliga und wettert dabei nur allzu gerne gegen die angeblichen Kommerzclubs. Dabei ist der BVB der einzig börsennotierte Fußballverein Deutschlands.


Erzrivale Schalke 04 ist bis heute einer der wenigen Klubs, die ihre Profiabteilung nicht ausgegliedert haben, dafür lassen sich die Königsblauen seit Jahren vom russischen Gasunternehmen „Gazprom“ sponsern, das in enger Verbindung zur russischen Regierung steht. Gerade hier stellt sich durchaus die Frage, ob ein solches Sponsoring nicht moralisch problematischer ist als der Einstieg von Investoren in die Bundesliga. Ähnliches gilt auch für die Verbindungen des FC Bayern mit Katar.


Tradition allein ist nicht alles
Tradition allein sagt somit noch lange nichts über das moralische Handeln eines Klubs. Auch deswegen nicht, weil die Unterscheidung in Traditions- und Kommerzvereine lange nicht so eindeutig ist, wie man gemeinhin denkt. Vielmehr steckt der Kommerz längst in jedem einzelnen Bundesligisten und ist inzwischen sogar eine der wichtigsten Grundlagen des sportlichen Erfolgs.


Heißt das im Umkehrschluss, dass wir sämtlichen Investitionsmodellen und Geldgebern Tür und Tor öffnen sollten? Das sicherlich nicht! Wir sollten jedoch akzeptieren, dass Investoren längst zu einem Teil der Bundesliga geworden sind und deshalb auch in Zukunft nicht mehr verschwinden werden. Die Frage lautet daher nicht, ob wir überhaupt Kommerz in der Bundesliga haben wollen, sondern wie viel und vor allem welchen Kommerz wir haben möchten.
Dabei sind sowohl Vereine als auch die Fans gefragt. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Tradition und Kommerz zu finden. Drei Fragen werden dabei unweigerlich auf den Tisch kommen: Welchen Einfluss dürfen Investoren auf einen Verein haben? Mit welchen Partnern und Sponsoren möchte man als Klub überhaupt zusammenarbeiten? Welche Rolle spielen die Fans im millionenschweren Fußballbusiness?


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