FC Augsburg, genügt der Kader den Ansprüchen?

Freitag, 29. Juli 2016, 12:09 Uhr Thorsten Franzisi

In weniger als vier Wochen spielt der FC Augsburg im Pokal gegen den FV Ravensburg. Wenn man ganz genau hingehört hat, konnte man Dirk Schusters Enttäuschung heraushören. In einem kleinen Nebensatz öffnete sich das Innenleben des FCA-Trainers.



Angesprochen auf den derzeitigen Stand des Kaders, sprach der 48-Jährige von einer sehr willigen und lernbereiten Mannschaft, die Spieler seien hochmotiviert, aber – und jetzt kommt‘s – es sei „ärgerlich, dass wir den ein oder anderen Spieler verloren haben“. Er meint damit natürlich die beiden Innenverteidiger Ragnar Klavan und Jeong-Ho Hong. Dass aufgrund der Abgänge weitere Einkäufe notwendig sind, ist bekannt. Einen Impuls setzte Augsburg schon unter der Woche, als man ablösefrei Gojko Kacar holte. Doch wo muss noch nachgebessert werden? Wo drückt der Schuh? Auf welcher Position herrscht ein Überangebot? Eine Analyse zum jetzigen Zeitpunkt.

Torhüter
Marwin Hitz kehrte nach einer für ihn enttäuschenden Europameisterschaft ohne Einsatz zurück. Auf dem Platz machte er sich zugleich bemerkbar, gab immer wieder lautstark Anweisungen – als ob er keinen Zweifel an seiner (Stamm-)Position zulassen möchte. Auffällig: Obwohl schon seit Dienstag wieder im Training, lehnte er sämtliche Interview-Anfragen ab.

Der neue Torwart, Andreas Luthe, Hitz‘ Konkurrent, ehemaliger Bochumer, scheint sich gut beim FCA integriert zu haben, vermittelt einen soliden Eindruck. Dass Torwarttrainer Zdenko Miletic seinem neuen Schützling ab und zu Tipps gibt, spricht für Luthes Lernbereitschaft. Ioannis Gelios bleibt angesichts der starken Konkurrenz nur die dritte Position.

   

Linksverteidiger
Dadurch, dass Philipp Max bei Olympia dabei sein wird, ist zumindest zu Beginn der Pflichtspielsaison die Verteilung klar: Kostas Stafylidis hat die Nase vorne. Doch der Grieche mit dem harten Linksfuß verpasste erneut einige Tage mit kleineren Wehwehchen. Ein kontinuierliches Einspielen war bislang nicht möglich.

Und was passiert, wenn Max wieder zurück ist? Hält Stafylidis dann still? An sich ist es ja gut, dass der FCA zwei so starke Linksverteidiger hat, doch die Luxussituation könnte noch zum Problem werden. Marco Schuster, eigentlich ein Zentrumsspieler, musste zuletzt dort aushelfen, ihm bleibt aber im Normalfall nur die Zuschauerrolle.

 

Linker Innenverteidiger
Hier hat Augsburg den größten Bedarf. Logisch, denn ein Abgang wie Ragnar Klavan lässt sich nicht so ohne weiteres ersetzen. Ein möglicher Nachfolger winkte mit Luca Caldirola bereits ab. Er wolle in Bremen Abwehrchef werden. Obwohl Abwehrtalent Tim Rieder in den Tests bislang am längsten spielte (270 Minuten), sind seine Chancen auf den ersten Profi-Einsatz trotz starker Arbeitsmoral äußerst gering. Marvin Friedrich ist wegen einer langwierigen Verletzung erstmal raus.

 

Rechter Innenverteidiger
Jeffrey Gouweleeuw oder Gojko Kacar? Und was ist mit Christoph Janker? Holländer Gouweleeuw ist nach seiner Sprunggelenks-OP wieder schmerzfrei, benötigt aber noch Spielpraxis. Auch Neuzugang Kacar hat noch Defizite. Zwar hielt er sich beinahe zwei Monate individuell fit, er gab aber zu, das Training mit dem Ball vermisst zu haben. Ein so erfahrener Spieler weiß aber, was er tun muss, um zum Start fit zu sein. Selbiges gilt für Janker, der weiterhin solide seine Arbeit verrichtet und – darauf kann man sich jetzt schon verlassen – da sein wird, wenn er benötigt wird. Jan-Ingwer Callsen Bracker muss nach seiner Horrorverletzung kämpfen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

    

Rechtsverteidiger
Kein Zweifel an Kapitän Paul Verhaegh, auch wenn er nach seiner Blessur einige Tage ausfiel. Der Holländer ist unbestritten und wird auch unter dem neuen Trainer Stammkraft sein. Daniel Opare hingegen macht vieles richtig, dann aber auch Dramatisches falsch. Er schafft den Spagat zwischen Professionalität und Spaß noch immer nicht. Georg Teigl ist schnell und robust, aber in den Testspielen zeigte er eine durchwachsene Leistung. Ein Vergleich zu André Hahn (gleiche Rückennummer, ähnlicher Körperbau) ist – Stand jetzt – nicht angebracht.

   

Sechser
Daniel Baier genießt auch unter Dirk Schuster einen besonderen Stellenwert. Welcher Trainer gibt seinem Strategen schon einen Tag frei, um bei der Hochzeit seines Kumpels dabei zu sein? Aber Baier hat sich dieses Standing auch verdient. Vom Trainer gab‘s zuletzt Extra-Lob. „Diese langen Bälle, die er geschlagen hat, das können nicht viele in der Liga.“ Markus Feulner macht hingegen nur langsam Fortschritte. Er absolvierte zuletzt – wenn überhaupt – nur Lauftraining.

  Achter
Dominik Kohr geht als Platzhalter in die Saison und dürfte ein kampfstarker Spieler genau nach dem Geschmack von Dirk Schuster sein. Konkurrent Jan Moravek zog die Trainingseinheiten voll durch, zeigte aber gerade gegen Sandhausen viele technische Mängel, die man so vom Tschechen eigentlich nicht kennt. Je nach taktischer Ausrichtung kämen auf dieser Position auch Hali Altintop oder Ja-Cheol Koo in Frage, vornehmlich sollen sie aber auf der Zehn agieren.

     

Zehner
Viel Qualität steht hier zur Auswahl. In Ja-Cheol Koo sieht Schuster einen in seinen Plänen äußerst wichtigen Spieler. Der Topscorer der vergangenen Saison will sämtliche Verletzungen hinter sich lassen und geht entsprechend fit in die Saison. Das ist auch Halil Altintop. Der Deutsch-Türke ist erfahren genug, sich die Kräfte einzuteilen. Wie in der Vorsaison kann es sein, dass seine Stärken erst im Laufe der Saison zum Vorschein kommen. Dong-Won Ji ist zwar großgewachsen, doch in den Tests zeigte er minimal, was für eine Stammposition spricht. Viel schlimmer noch: Mit einem fatalen Fehlpass leitete er gegen Sandhausen das zweite Gegentor ein.



Linker Flügel
Der nimmermüde Tobi Werner greift an, um sich die Stammposition von Caiuby zurückzuholen. Schade, dass er wegen eines Schlag aufs Knie für einige Tage ausfiel. So hat der Brasilianer die Nase vorn. Lachender Dritter könnte Takashi Usami sein. Der Japaner gewöhnt sich zwar nur langsam an die taktischen Abläufe, zeigte aber am Ball schon einige gute Aktionen. Leider versteckt er sich aber noch zu sehr und wirkt oft zu passiv.

 

Rechter Flügel
Viele Möglichkeiten, aber hinter jeder steckt ein Fragezeichen. Raul Bobadilla hat derzeit nur wenig Bock. Der temperamentvolle Angreifer wirkt unmotiviert und lustlos, eckte in der vergangenen Woche mit Teamkollege Daniel Opare an und konnte selbst vom Trainerteam nicht beruhigt werden. Schlimmer noch: Noch vor Trainingsende stampfte er in Richtung Kabine – vor Dirk Schuster. Ein Unding! Zwei Einheiten später meckerte er nach dem Ende eines Trainingsspiels, weil man erst noch einen Sieger im Elfmeterschießen herausspielen müsse.

Auch Alexander Esswein offenbart Schwächen. Schnell ja, aber zu häufig will er mit dem Kopf durch die Wand. Dass er im Test gegen Illertissen nach seiner Einwechslung in der zweiten Halbzeit nach 25 Minuten wieder raus musste, mag abgesprochen gewesen sein, passt aber ins Bild des abwanderungswilligen Esswein. Zumal er vor seiner Auswechslung leichtfertig eine Chance vergab als wer, statt aufs Tor zu schießen, erst noch den Torhüter ausspielen wollte. Albian Ajeti lautet die Alternative. Zwar strotzt er vor Energie, doch aufgrund seines Alters unterlaufen ihm noch jugendliche Fehler. Die könnte man aber durch Spielpraxis minimieren.

 

Mittelstürmer
Gut, dass Augsburg Alfred Finnbogason hat. Der Isländer wird am Dienstag zurückerwartet und ist vorne drin gesetzt. Ganz im Gegensatz zu Tim Matavz. Erneut scheint der Slowene nicht sein Potenzial erreichen zu können. So langsam stirbt dann auch die Hoffnung auf den Durchbruch. Auch bei Shawn Parker sieht es eher düster aus. Über einen längeren Zeitraum hat man ihn noch nicht trainieren sehen. Immerhin beim Testspiel gegen Wangen wieder im Kader.

    Mit freundlicher Unterstützung der Neuen Sonntagspresse

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