„Volkssport“ in den USA hat Augsburger Wurzeln

Montag, 15. Januar 2024, 18:34 Uhr Wilfried Matzke

Die Volkswandertage des „American Wandering Club“ lockten einst Tausende in die Sheridan-Kaserne.

Die US-amerikanische Garnison mit ihren bis zu 30.000 Soldaten, Bediensteten und Familienangehörigen prägte bis vor 25 Jahren die schwäbische Metropole. Umgekehrt hinterließ der US-Standort Augsburg auch Spuren in den USA. So hat die deutsch-amerikanische Breitensport-Geschichte mit dafür gesorgt, dass das deutsche Wort „Volkssport“ in den USA zu einem festen Begriff wurde.

Die US-Garnison hatte seit den 1970er Jahren etliche Sportveranstaltungen organisiert, bei denen die Deutschen mitmachen durften. Es waren meistens Volksläufe, oft an US-Feiertagen, wie am Unabhängigkeitstag, Thanksgiving oder St. Patrick's Day. Organisiert wurden sie in der Regel vom Recreation-Center der US-Armee. Aber die größten Veranstaltungen der US-Garnison waren die Wandertage des „American Wandering Club“. Los ging es jedoch damit, dass sich die Amis an den Volksläufen der Region beteiligten. Das erste Rennen dieser Art in der Bundesrepublik fand vor 60 Jahren am 13. Oktober 1963 im nahen Bobingen statt. In Augsburg nahm sich die MBB-SG, ursprünglich die Betriebssportgruppe des Flugzeugbauers Messerschmitt, der Breitensport-Idee an.

MBB-SG Augsburg als Pionier

Der Verein organisierte am 4. Juli 1965 die erste Augsburger Sportveranstaltung für jedermann. 1.782 Läufer, Geher und Wanderer, darunter etliche Amis, absolvierten die Strecken durch den Siebentischwald. In den folgenden Jahren wurden es immer mehr US-Soldaten, Bedienstete und Familienangehörige, die bei den Volksläufen in und um Augsburg an den Start gingen. Sogar Generäle schnürten regelmäßig ihre Sportschuhe. Als sich Wanderer und Marschierer in einem eigenen Internationalen Volkssportverband (IVV) zusammenschlossen, bevorzugten die Amis die neuen IVV-Veranstaltungen. Hier wurde im Gegensatz zu den Volksläufen bewusst auf eine Zeitnahme verzichtet. Im Jahr 1972 gründete die Augsburger US-Garnison ihren eigenen IVV-Verein, den ersten „American Wandering Club“ in Europa. Körperertüchtigung, Völkerverständigung und Kennenlernen von Deutschland lauteten die drei Satzungsziele. Bald waren unter den bis zu 1.600 Mitgliedern auch zahlreiche Deutsche.

Bis zu 8.000 Teilnehmer dabei

Die „Augsburger Volkswandertage“ dieses Vereins zogen alljährlich bis zu 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an. Die Strecken von zehn Kilometern bis zur Marathondistanz von 42 Kilometern begannen meist in der Sheridan-Kaserne. Schon bald nachdem im Jahr 1998 die letzten US-Soldaten die Stadt verlassen hatten, wurde der Augsburger „American Wandering Club“ aufgelöst. Aber in ihre Heimat zurückgekehrte Ex-Mitglieder sorgten mit dafür, dass sich in den USA ein „Volkssport“ nach deutschem und Augsburger Vorbild etablierte. Sie gründeten „Wandering Clubs“ oder „Volkssport Klubs“, die sich in der American Volkssport Association (AVA) zusammenschlossen. „Volkssport evolved from public running races in and around Augsburg in southern Germany“ heißt es in den Annalen dieses US-amerikanischen IVV-Verbandes. Die Organisation hat heuer rund 2.700 Breitensport-Veranstaltungen im Programm. Vor der Corona-Pandemie waren es jährlich noch mehr als 5.000 Veranstaltungen.

Text: Wilfried Matzke / WM


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