Sensibel agieren

Donnerstag, 03. September 2020, 09:58 Uhr Angela Merten

Das Bundeskinderschutzgesetz

Das Wohl der Kinder liegt uns Allen besonders am Herzen. Und für die Entwicklung der jungen Menschen sind sportliche Aktivitäten und Engagement außerhalb des engeren Familienkreises – beispielsweise in einer Gruppe von Gleichaltrigen im Sportverein – sehr wichtig.

Die meisten ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainer sowie Betreuungspersonen tun ihr Bestes, um den Nachwuchs zu fördern. Sportliche Herausforderungen, Aufbau von Selbstbewusstsein, ein harmonisches Miteinander im Team und gegenseitiger Respekt sind wichtige Inhalte im Vereinsleben.

 

Doch wo viele Individuen zusammentreffen, gibt es natürlich oft auch Konflikte. Das Nichteinhalten von Grenzen anderer Kinder und Jugendlicher, Verhaltensauffälligkeiten, Konkurrenzkampf und Leistungsdruck sind die noch „harmloseren“ Probleme, mit denen das Betreuungspersonal sowie Trainerinnen und Trainer immer mal wieder zu kämpfen haben. Doch was passiert, wenn ein Verdacht auf sexualisierte Gewalt besteht? Hier stehen die Verantwortlichen sehr oft vor einem großen Fragezeichen.

 

Mit dem im Jahr 2012 erlassenen Bundeskinderschutzgesetz steht der Schutz von Kindern und Jugendlichen u.a. auch im Ehrenamtsbereich im Fokus. In Augsburg gibt es im Amt für Kinder, Jugend und Familie (AKJF) einen eigenen Arbeitsbereich, in dem sich zwei Mitarbeiterinnen speziell mit der pädagogischen Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes in Vereinen beschäftigen.

 

Wir sprachen mit Frau Gadreau und Frau Drieschner aus dem Fachbereich Präventive Kinder- und Jugendhilfe der Stadt Augsburg.

 

Wer seid ihr und was genau ist euer Job?

Fr. Gadreau: Ich bin seit September 2017 im Amt für Kinder, Jugend und Familie – Abteilung Jugend / Fachbereich Präventive Kinder- und Jugendhilfe tätig. Von der Bildung her bin ich Diplompädagogin. Wir setzen das Bundeskinderschutzgesetz im Ehrenamtsbereich um.

Frau Drieschner: Ich bin gelernte Diplom-Sozialpädagogin und seit letztem Jahr September mit im Team.

 

Wo genau seid ihr unterwegs?

Fr. Gadreau: Wir sind in allen Vereinen und Organisationen unterwegs, wo Kinder und Jugendliche in der Freizeit sind. In den Vereinen haben wir mit Vorständen, Betreuerinnen und Betreuern, Trainerinnen und Trainern und Übungsleiterinnen und Übungsleitern zu tun. Wenn möglich, versuchen wir in regelmäßigen Abständen auf die Sportbeiratssitzungen zu gehen.

 

Welche Hilfen bietet ihr an?

Fr. Gadreau: Wir bieten Infoveranstaltungen an, um mit den Vereinen über die Notwendigkeit der erweiterten Führungszeugnisse für Trainerinnen und Trainer zu sprechen. Einfach um sicher zu gehen, dass niemand, der mit Kindern arbeitet, diesbezüglich vorbestraft ist. Das ist der erste Schritt, der so auch im Gesetz steht und der in Form einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Verein und dem AKJF festgehalten wird. Hierum kümmert sich unsere Kollegin, Frau Kastner. Nach Abschluss dieser Vereinbarung unterstützen wir den Verein bei der Erarbeitung eines Schutzkonzeptes. Wir bieten aber auch Präventionsveranstaltungen direkt im Verein oder organisationsübergreifend bei uns im Amt an. Überdies können sich Ehrenamtliche auch anonym bei uns beraten lassen.

 

Was genau beinhaltet ein Schutzkonzept?

Fr. Gadreau: Am besten ist es natürlich, wenn der Verein bereits eine Haltung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen entwickelt hat. In einem Leitbild können Umgangsformen und eine Kultur der Achtsamkeit verankert sein. Die Auswahl sowie Schulung und Information von ehrenamtlich Mitarbeitenden ist ein weiterer wichtiger Punkt. Hier wird unter anderem die Einsicht in die erweiterten Führungszeugnisse festgehalten. Eine weitere Säule des Schutzkonzeptes sind klare Regeln im laufenden Sportbetrieb und bei Veranstaltungen. Risiken und Schwachstellen, die sich aus der Organisationsstruktur des Vereins, der Sportart, den räumlichen Gegebenheiten oder der Zielgruppe ergeben, sollen verringert oder beseitigt werden. Der letzte Punkt des Schutzkonzeptes ist die Meldekette und die Benennung einer Vertrauensperson im Verein, an die sich die Trainerinnen und Trainer und auch die jungen Sportlerinnen und Sportler wenden können, wenn sie Beobachtungen machen bzw. selbst betroffen sind.

 

 

Wenn dem Trainer ein junger Mensch besonders auffällt, soll er sich direkt an euch wenden, oder vielleicht vorher Kontakt zu den Eltern suchen?

Frau Gadreau: Das ist eine schwierige Frage, die nur jeweils für den Einzelfall beantwortet werden kann. Ein auffälliges Verhalten kann durch psychische und physische Gewalt in der Familie oder Schule, auf Social-Media-Plattformen oder Mobbing verursacht werden. Es kann aber auch ganz andere Gründe haben. Wenn es sich um eine Gefährdung handelt, die außerhalb des Vereins stattfindet, muss abgewogen werden, ob ein Gespräch sinnvoll und zielführend ist. Manche Kinder und Jugendliche erscheinen danach einfach nicht mehr im Training und somit fallen auch Unterstützung und soziale Kontrolle weg. Zunächst kann man sich mit anderen Trainerinnen und Trainern austauschen, um die Situation besser einschätzen zu können. Zu jeder Zeit kann man sich auch an eine Beratungsstelle oder an uns wenden. Bei einer akuten Gefährdung sollte sich der Verein an die Zentrale Fallaufnahme für Gefährdungsmeldungen oder die Polizei wenden.

Frau Drieschner: Bei einem Verdacht auf sexualisierte Gewalt raten wir meist, erst mal durchzuatmen und keine übereilten Schritte zu machen. Gemeinsam mit dem Verein, dem jungen Menschen und möglichen weiteren Beteiligten gilt es, in Ruhe einen Fahrplan zu erstellen, der dem Wohl des jungen Menschen entspricht.

 

Das ist sehr wichtige Arbeit, die hier geleistet wird. Zum einen, um ein Bewusstsein zu schaffen, und eben auch den Trainern und Betreuern eine Hilfestellung und Unterstützung zu bieten.

Frau Drieschner: In den Präventionsveranstaltungen besprechen wir die Grundlagen zum Themenbereich sexualisierter Gewalt. Wir wollen damit für einen grenzwahrenden Umgang sensibilisieren. Es werden Themen wie z.B. die Rolle einer Trainerin oder eines Trainers als Vertrauensperson und die Wahrung von Grenzen im Trainingsbereich diskutiert. Im Sport gibt es immer wieder Anlässe, in denen Körperkontakt stattfindet und üblich ist, wie z.B. bei Hilfestellungen oder Spielen. Trotzdem kann es sein, dass das für ein Kind oder einen jungen Menschen mal nicht O.K. ist. Die Grenzen hierbei sind sehr unterschiedlich. Damit dann sensibel umzugehen und die jungen Mensch zu stärken und ihre Empfindungen ernst zu nehmen, ist gelebte Prävention von sexualisierter Gewalt.

 

Frau Drieschner und Frau Gadreau: Uns ist nochmal wichtig herauszustellen, dass den Sportvereinen bei diesem Thema eine wichtige Rolle zukommt. Zum einen geht es darum, dass junge Menschen ihren Sportverein als sicheren Ort wahrnehmen können. Zum anderen können Trainerinnen und Trainer mögliche Vertrauenspersonen für die Kinder und Jugendlichen sein, die sie bei Problemen aufsuchen. Auch können Trainerinnen und Trainer wichtige präventive Arbeit leisten, indem sie die jungen Menschen in ihrem Selbstbewusstsein stärken, sie an Entscheidungen teilhaben lassen und sie in ihren Anliegen ernstnehmen. Starke Kinder und Jugendliche werden seltener zu Opfern sexualisierter Gewalt. Außerdem ist Sport für viele junge Menschen auch eine Leidenschaft. Sie kann als Ventil und Ablenkung bei aktuellen Schwierigkeiten helfen.

 

Kontakt:

 

Stadt Augsburg

Amt für Kinder, Jugend und Familie

Präventive Kinder- und Jugendhilfe

Halderstraße 23

86150 Augsburg

jugendschutz@augsburg.de

 

Vereinbarungen und Negativbescheinigungen:
Frau Kastner, Tel. 0821 324-34492

 

Schutzkonzepte, Präventionsveranstaltungen und Beratung:

Frau Gadreau: 0821 324-2946

Frau Drieschner: 0821 324-2839

 



zurück