FC Augsburg öffnet Schatulle - Verrücktheit oder Königstransfer?

Dienstag, 04. Januar 2022, 20:15 Uhr Marc Gerstmeyr

Die FCA-Kolumne von Moritz Winkler über die Verpflichtung von Ricardo Pepi

Bis vor wenigen Stunden sollte dieser Text eigentlich noch um den Rückrundenauftakt des FC Augsburg gehen und darüber, dass gerade im Abstiegskampf etwas mehr Gelassenheit guttun würde. Mit der Gelassenheit ist es allerdings spätestens seit gestern Nachmittag vorbei, als der Verein das mitteilte, was ohnehin schon als Gerücht in sämtlichen Medien kursierte: Der FC Augsburg verpflichtet für die Rekordablöse von 13 Millionen Euro das US-Amerikanische Supertalent Ricardo Pepi. Ein Transfer, der Fans gleichzeitig elektrisiert und emotionalisiert wie kaum einer zuvor.

Kann man sich das überhaupt leisten?
Eines hat der FC Augsburg mit der Verpflichtung von Ricardo Pepi vom FC Dallas sicherlich schon erreicht. Selten dürfte in ganz Fußballdeutschland aber auch international so viel über den kleinen Verein aus der Fuggerstadt gesprochen und berichtet worden sein, wie in den letzten Tagen. Eine Aufmerksamkeit, die dem FCA und seinem Image als graue Maus der Bundesliga sicherlich guttun kann.

Andererseits hat man sich dieses Image jahrelang selbst erarbeitet und war in gewisser Weise auch stolz darauf. Für den FCA stand immer fest: Verrückte und spektakuläre Sachen können die anderen machen, wir gehen unseren eigenen Weg. Sicheres Wirtschaften war bei den Fuggerstädtern bisher immer die oberste Maxime. Damit konnte man sicherlich nicht die Bundesliga aufmischen, war jedoch aller Kritik zum Trotz am Ende immer erfolgreich. Man spielt inzwischen im zehnten Jahr in der Bundesliga und auch die Coronazeit hat man im Vergleich zu anderen Clubs bisher sehr gut überstanden.

Ist also die Verpflichtung von Pepi jetzt genau so eine verrückte Sache und damit ein Verstoß gegen das selbst auferlegte Credo? Immerhin haben die Verantwortlichen vor wenigen Wochen noch die finanziellen Einbußen aufgrund der Wiedereinführung von Geisterspielen massiv beklagt. Somit verwundert es kaum, dass im Netz bereits heiß spekuliert wird, woher der FCA auf einmal so viel Geld für einen solchen „Königstransfer“ zur Verfügung hat. Für die Kritiker ist die Sache natürlich klar: Die finanziellen Mittel kommen von Neuinvestor David Blitzer!

Sicherlich dürften die guten Kontakte des US-amerikanischen Anteilseigners bei der Vermittlung des Deals nicht geschadet haben. Doch trotz der Coronapandemie hat der FC Augsburg gerade durch sein vorausschauendes Wirtschaften in den letzten Jahren ein ordentliches Eigenkapital aufgebaut. Von mehr als 50 Millionen sprach Klaus Hofmann noch auf der Jahreshauptversammlung. Rein finanziell scheint der Deal für den FC Augsburg also durchaus machbar zu sein, es bleibt allerdings die Frage, ob so viel Geld in ein 18-jähriges Juwel aus der MLS tatsächlich gut angelegt ist. Immerhin sollen die bayerischen Schwaben auch deswegen den Zuschlag erhalten haben, weil der VfL Wolfsburg und Ajax Amsterdam wegen der hohen Ablöseforderungen aus dem Poker um das Supertalent ausgestiegen sind. Wer also ist dieser Ricardo Pepi?

Das US-Amerikanische Wunderkind
Zumindest in Fachkreisen ist der Name Pepi schon seit Längerem ein Begriff. Der 18-jährige Stürmer gilt als eines der heißesten Eisen in der amerikanischen Major-League-Soccer. Bereits mit 16 Jahren gab er dort sein Profidebüt, inzwischen kommt der Angreifer auf 55 Einsätze und 15 Tore in nur zwei Jahren. Auch für die amerikanische Nationalmannschaft lief der US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln bereits sieben Mal auf.

Kein Wunder, dass bei diesen Statistiken halb Europa hinter dem Wunderknaben her war. Inzwischen hat sich längst herumgesprochen, dass die MLS alles andere als nur eine Möglichkeit ist, um als Fußballer im Herbst der Karriere nochmal ordentlich abzukassieren wie noch zu Beckenbauers Zeiten. Spätestens seit dem Transfer von Alphonso Davies zum FC Bayern ist klar, dass auch die nordamerikanische Liga einiges an hochveranlagten Spielern zu bieten hat. Der Rekordmeister bemühte sich übrigens schon im Februar letzten Jahres um eine Verpflichtung von Pepi, nahm jedoch am Ende von einem Transfer Abstand.

Was können wir also von dem neuen Rekordtransfer in Augsburg erwarten? Viele Fans erhoffen sich, dass das Toptalent die erlahmte Offensive der Schwaben auf Anhieb wieder in Schwung bringt. Dagegen hätten sicherlich auch die Verantwortlichen nichts einzuwenden. Ich habe da jedoch meine Zweifel. Schließlich muss sich der Teenager fernab von zuhause erstmal in einem völlig neuen Umfeld zurechtfinden und auch die Eingewöhnung an das höhere Niveau in der Bundesliga wird sicherlich seine Zeit brauchen. Auch bei Alphonso Davies hat es fast ein halbes Jahr gedauert, ehe ihm der Durchbruch an der Säbener Straße gelang. Ich denke, dass wir daher auch von Pepi zumindest in dieser Saison keine allzu großen Wunder erwarten sollten und auch Markus Weinzierl dürfte froh sein, dass er mit Niederlechner und Finnbogason zwei erfahrene Angreifer zur Verfügung hat, die nach ausgestandener Verletzung im aktuellen Abstiegskampf sofort weiterhelfen können.

Die Verpflichtung von Pepi ist eine Investition in die Zukunft, die bei näherer Betrachtung durchaus Sinn ergibt. Sowohl die Verträge von Alfred Finnbogason als auch von Florian Niederlechner laufen im Sommer diesen Jahres aus und es ist durchaus zweifelhaft, ob man mit beiden nochmal verlängern möchte. Gleichzeitig wird Andi Zeqiri die Fuggerstädter höchstwahrscheinlich nach dieser Saison wieder in Richtung Brighton verlassen und auch Michael Gregoritsch wird immer wieder mit einem Wechsel in Verbindung gebracht. Spätestens im Sommer hätten Stefan Reuter und sein Team somit ohnehin auf der Stürmerposition nachlegen müssen. Mit Ricardo Pepi hat man bereits jetzt vorgesorgt und ein vielversprechendes Toptalent verpflichtet, dass sich nun ein halbes Jahr lang in der Bundesliga akklimatisieren kann, um dann spätestens in der kommenden Saison seine Akzente in einem jungen und hungrigen Team zu setzen.

Ein Paradigmenwechsel
Eines ist mit der Verpflichtung von Pepi allerdings endgültig offensichtlich. Der FC Augsburg hat in den vergangenen Jahren seine Transferpolitik grundlegend verändert. Verpflichtete Stefan Reuter in den ersten Bundesligajahren vor allem erfahrene Spieler, die bei anderen Vereinen als gescheitert galten und beim FCA ihre zweite Chance bekamen wie Sascha Mölders, Caiuby oder Raul Bobadilla, so setzt man nun mehr als jemals zuvor auf junge Talente: Angefangen mit den Wechseln von Reece Oxford und Felix Uduokhai über Ruben Vargas bis hin zu den beiden Königstransfers von Niklas Dorsch und Arne Meier. Sie alle waren bei ihrer Ankunft in Augsburg nicht älter als 23.

Das Ziel ist klar: Man möchte das Image der grauen Maus hinter sich lassen und nach dem Muster des SC Freiburg oder Mainz 05 ein etablierter Ausbildungsverein werden, bei dem sich junge Spieler zeigen und entwickeln wollen, ehe sie dann den Schritt zu einem Topverein machen. Denn auch das steht fest: Weder Vargas noch Dorsch sehen den FC Augsburg als Karriereendziel, sondern als Zwischenstation. Das dürfte auch bei Ricardo Pepi nicht anders sein. Für den FCA wird es also darauf ankommen, mit dem jungen Kader in den kommenden Jahren möglichst erfolgreich zu sein, um das eigene Tafelsilber zu gegebener Zeit gewinnbringend zu verkaufen. Im Fall von Ricardo Pepi liegt die Messlatte bei einer Investition von 13 Millionen Euro nicht gerade niedrig.


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