Der Bundesligist FC Augsburg und die eigene Jugendarbeit

Donnerstag, 05. Mai 2022, 20:55 Uhr Marc Gerstmeyr

Unser Rasensprenger nimmt die Jugendarbeit des FC Augsburg unter die Lupe, berichtet von glorreichen Zeiten und dem aktuellen Stand, mit Höhen und Tiefen

Der FC Augsburg hat am Wochenende erneut die Chance auf den direkten Klassenerhalt verpasst. Während die erste Mannschaft also in den ausstehenden zwei Spielen gegen RB Leipzig und Greuther Fürth weiterhin um den Nichtabstieg kämpfen muss, macht die U-19 den Profis vor, wie man im rot-grün-weißen Trikot Erfolg haben kann. Zum ersten Mal seit fast 30 Jahren spielen die A-Junioren wieder um die Deutsche Meisterschaft. Höchste Zeit also, um einen genaueren Blick auf die Jugendarbeit des Vereins zu werfen.

Im Dezember 2014 nannte Vereinspräsident Klaus Hofmann seinen Traum: „Meine Vision ist, dass ich einmal im M-Block stehe und in der Startformation unserer Bundesligamannschaft stehen vier Spieler, die schon seit der D-Jugend bei uns sind.“ Nach drei Jahren im deutschen Oberhaus war das Ziel damit klar: Die Jugendarbeit sollte wieder zu einem zentralen Bestandteil der Augsburger DNA werden und dazu beitragen, dass sich die Fuggerstädter längerfristig in der Bundesliga etablieren. Denn einst galten die Fuggerstädter in Sachen Nachwuchsförderung als absolute Visionäre.

Vorreiter der Nachwuchsförderung
1953 rief der bis heute legendäre Jugendleiter Paul Renz beim BCA ein internationales Jugendturnier ins Leben, das darauf alljährlich an Pfingsten stattfand. Mit dem Motto „Brücken in die Welt schlagen“ lockte Renz die Jugendmannschaften von internationalen Topklubs wie von Arsenal London in die Fuggerstadt und setzte dabei deutschlandweit Maßstäbe in der Nachwuchsarbeit. Augsburger Vereinsikonen wie Helmut Haller, Bernd Schuster und Armin Veh wurden auf eben jenen Turnieren entdeckt und sicherten dem Verein durch Transfers in den Profifußball das Überleben.

Das Turnier legte auch den Grundstein für die erfolgreichste Phase des Augsburger Jugendfußballs in den 90er Jahren. Gleich vier Mal wurde der FCA in dieser Zeit A-Junioren Pokalsieger und gewann 1993 sogar die deutsche A-Junioren Meisterschaft. Viele der damaligen Spieler schafften anschließend den Sprung in die 1. und 2. Bundesliga. Doch als sich die Nachwuchsarbeit im deutschen Profifußball Anfang der 2000er Jahre zunehmend professionalisierte, konnten die Fuggerstädter nicht mehr mithalten. Während in den Bundesligastandorten ab 2001 bereits aufwendige Nachwuchsleistungszentren entstanden, spielte der FC Augsburg noch in der Oberliga und kämpfte um die wirtschaftliche Existenz.

Die große Aufholjagd
Mit viel Engagement und auch großen Investitionen wurde daher seit dem Bundesligaaufstieg versucht, den Rückstand auf die Konkurrenten in der Jugendarbeit aufzuholen. In diesem Sommer soll mit der Fertigstellung des Internats der letzte große Schritt gemacht werden. Erst dann habe man wirklich ein Nachwuchsleistungszentrum, das vergleichbar mit dem anderen Bundesligisten sei, wie Stefan Reuter gegenüber dem Kicker erklärte.
Fast 40 Millionen Euro hat der Verein inzwischen seit Fertigstellung der Arena in sportliche Infrastrukturprojekte gesteckt. Längerfristig soll sich das natürlich auszahlen. Das Ziel: Mit guter Nachwuchsarbeit möchten die Schwaben über kurz oder lang wichtige Positionen innerhalb der Mannschaft aus eigener Kraft besetzen, statt Spieler für teures Geld von anderen Vereinen abzuwerben.


Besonders der SC Freiburg macht in der Bundesliga seit Jahren vor, wie man auf diese Weise sehr erfolgreich sein kann. Jahr für Jahr verlässt mindestens ein ehemaliger Jugendspieler für eine gute Ablösesumme den Sportclub und wird durch ein weiteres Talent aus dem eigenen Nachwuchs ersetzt. Davon kann der FC Augsburg bisher nur träumen.

Der Sprung zu den Profis gelingt zu selten
Bereits in seiner ersten Amtszeit sprach Markus Weinzierl 2015 davon, dass die Augsburger Jugendspieler noch zwei bis dritte Schritte von der Bundesliga entfernt sein. Und auch in dieser Saison setzt der Coach sein Vertrauen eher in das etablierte Personal als den eigenen Nachwuchs. So ist Marco Richter inzwischen der letzte Spieler, dem tatsächlich dauerhaft der Sprung aus der Jugend zu den Profis gelungen ist. Fünf Jahre ist das inzwischen her.
Wegen dieser geringen Durchlässigkeit sehen einige Jugendspieler den FCA offenbar auch nicht als erste Adresse für eine Karriere im deutschen Profifußball. Als die beiden Eigengewächse Marco Richter und Kevin Danso den FC Augsburg im letzten Sommer verließen, wurde von Spielerseite immer auch mangelnde Wertschätzung als Grund für den Abgang genannt. Und auch im aktuellen Kader der U-19 sind offenbar nicht alle Spieler von einer Zukunft in Rot-Grün-Weiß überzeugt.

Dikeni Salifou entschied sich dagegen, seinen in diesem Jahr auslaufenden Vertrag beim FCA zu verlängern und unterschrieb stattdessen beim SV Werder Bremen. Der gebürtige Münchner gilt als eines der Toptalente aus dem Augsburger Nachwuchs, trainierte in dieser Saison bereits zusammen mit den Profis und stand auch schon viermal im Bundesligakader. Dennoch glaubte Salifou offensichtlich nicht daran, sich bei den Profis des FC Augsburg langfristig durchsetzen zu können.  In der Hansestadt hat man den 18-Jährigen offenbar einen Stammplatz in der ersten Mannschaft in Aussicht gestellt. Wie der Weser Kurier berichtet, soll das der Hauptgrund für den Abgang gewesen sein.

Zuvor hat der defensive Mittelfeldspieler jetzt jedoch noch die Chance, mit dem FC Augsburg deutscher A-Junioren Meister zu werden. Am Freitag spielt die Mannschaft von Trainer Alexander Frankenberger das Halbfinal-Hinspiel gegen Hertha BSC. Um der Partie einen angemessenen Rahmen zu bieten, wird das Spiel sogar in der WWK-Arena ausgetragen. Für Mitglieder und Dauerkartenbesitzer ist der Eintritt kostenlos.


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