Auf nach Tokio

Mittwoch, 30. Juni 2021, 19:16 Uhr Angela Merten

Interview mit dem DKV Chef-Bundestrainer Kanuslalom Klaus Pohlen

Kurz vor dem Aufbruch nach Tokio zu den Olympischen Spielen führte Marianne Stenglein - Referentin für Presse Kanu Schwaben Augsburg- ein Interview mit dem DKV Chef-Bundestrainer Kanuslalom Klaus Pohlen, der das Amt des Chef-Bundestrainers Anfang 2020 übernahm.

Marianne Stenglein: Ursprünglich sollten die Olympischen Spiele vom 24. Juli bis 09. August 2020 stattfinden. Aufgrund der Corona-Krise entschied sich das Internationale Olympische Komitee zu einer Verschiebung um fast genau ein Jahr. Die Spiele beginnen nun am 23. Juli 2021 und enden am 8. August 2021. Wann finden genau die Slalomwettbewerbe statt und wie ist der künstliche Wildwasserkanal beziehungsweise wo befindet sich die Slalomstrecke in Tokio?

Klaus Pohlen: Als erster in den Wettkampf geht am 25.7.21 Sideris Tasiadis im Einercanadier der Herren. Die Wettkampfstrecke im Kasai Canoe Slalom Centre wird der sogenannten Tokyo Bay Zone zugeordnet und liegt wie viele andere Wettkampfstätten in der Küstenregion Tokios in der Nähe des internationalen Flughafens Haneda.

MS: Irgendwie kam in den letzten Wochen und Monaten durch die Medien der Eindruck auf, ob die Spiele auch tatsächlich stattfinden werden? Wie sind die Kanusportler*innen darauf vorbereitet worden? Macht es ihnen Probleme, Ihre Wettkämpfe auch ohne Zuschauer*innen zu bestreiten? Ich denke, sie freuen sich bestimmt, dass es endlich losgeht?

KP: Wir haben versucht diese Presseberichte auszublenden und uns auf die Vorbereitung zu konzentrieren. Natürlich ist es schade, dass es keine Zuschauer geben wird, aber alles Lamentieren hilft ja nichts, wir müssen es nehmen wie es kommt und natürlich fiebern wir den Wettkämpfen entgegen.

MS: Ein Trainingslager in Tokio war ja bisher nur in 2019 möglich, könnte dies ein Nachteil für die deutschen Starter*innen sein oder welche Möglichkeiten bieten sich jetzt noch an? Wann erfolgt die Anreise des deutschen Teams?

KP: Die Voraussetzungen in der Vorbereitung waren für alle Nationen gleich, einen Vor- oder Nachteil kann ich nicht direkt erkennen. Wir müssen zweigeteilt anreisen. Der Bootstransport mit 8 Booten erfolgt am 5.7.2021 mit der Turkish Airlines von Frankfurt über Istanbul durch Thomas Apel und mich, die Mannschaft fliegt mit der Lufthansa am 6.7.2021. 

MS: Wie sieht es mit Impfungen, PCR Tests, Quarantäne bei der Ein- und Ausreise aus? Sind diese Hürden nicht eine große Belastung für alle?

KP: Dies sind wir inzwischen schon gewohnt. Das sogenannte Covid Countermeasures beginnt bereits mit zwei heimischen PCR Test 96 und 72 Stunden vor Abflug in Augsburg und Leipzig und werden vor Ort in Tokio täglich fortgesetzt. Das ist für alle Nationen gleich und ich finde diese Maßnahmen auch in der aktuellen Situation und auch aus Respekt vor den Ängsten der Bevölkerung in Japan vor dem Virus angemessen.

MS: Im Kanuslalom starten maximal vier Boote pro Nation, je nachdem wie das Land die Quoten pro Disziplin erreichte. Deutschland hat alle vier Quotenplätze herausgefahren, zwei Kajak Disziplinen und zwei Canadier Disziplinen. Welche Boote konnten sich für das deutsche Olympiateam qualifizieren und gibt es pandemiebedingt Probleme mit dem Bootstransport?

KP: Es sind im Canadier Einer der Herren Sideris Tasiadis/ Kanu Schwaben Augsburg, im Canadier Einer der Frauen Andrea Herzog/LKC Leipzig, Hannes Aigner / AKV Augsburg im Kajak Einer der Herren und Ricarda Funk / KSV Bad Kreuznach im Kajak Einer der Damen.

Die Probleme im Bootstransport haben weniger mit der Pandemie zu tun. Wir mussten kurzfristig noch letzte Woche die Nachricht des DOSB mit der Absage der Lufthansa für den Bootstransport hinnehmen. Leider hat sich die heimischen und offiziellen Airlines des Team D nicht in der Lage gesehen, unsere Boote zu transportieren. So ein bisschen fader Beigeschmack bleibt da schon für uns. Wir haben uns dann selber darum gekümmert und sind bei der Turkish Airlines gelandet. So etwas habe ich in der Organisation von Olympischen Spielen in Deutschland auch noch nicht erlebt.

MS: In Augsburg finden seit über einem Jahr Umbaumaßnahmen auf am Olympiagelände bezüglich der 2022 anstehenden Kanuslalom Weltmeisterschaft Ende Juli in Augsburg statt, zudem fanden fast keine Wettkämpfe mehr statt. Dazu kam noch die Pandemie, hatte dies Auswirkungen auf das gesamte Training der Kadersportler?

KP: Die Auswirkungen auf die Bundeskadersportler war eigentlich gar nicht so groß. Wir hatten ein mit unserem Mannschaftsarzt Dr. Roland Eisele und der Stadt Augsburg abgestimmtes Hygienekonzept, an das wir uns konsequent gehalten haben. Da muss ich ein großes Kompliment an alle Sportler*Innen und deren Disziplin machen. Schwierig war es aber für den Vereins- und besonders den Nachwuchsleistungssport. Die Auswirkungen werden wir wohl erst in 5-8 Jahren spüren. Auch bei den Sanierungsarbeiten an der Anlage hat die Stadt Augsburg den Trainingsbetrieb auf der Wettkampfstrecke weiterhin großzügig trotz Baustelle ermöglicht. Das war und ist so nicht selbstverständlich. Ich glaube nicht, dass wir diesbezüglich Anlass zur irgendeiner Beschwerde hätten.

MS: Der Kanuslalomsport hat ja bei Olympia immer wahnsinnig tolle Einschaltquoten, worin liegt die Faszination dieses Kanusports, gerade im Hinblick auch auf den Nachwuchs, den die Slalomkanuten nach diesen harten Jahren gut gebrauchen können.

KP: Ich denke es ist diese besondere Faszination sich mit einem wilden Naturelement auseinanderzusetzen. Da liegt insbesondere für junge Sportler und auch Sportlerinnen ein hoher Aufforderungscharakter. Wer einmal eine fette Welle im Gesicht hatte, der weiß wovon ich spreche.

MS: Der Weltcup in Markkleeberg am 18.-20.6.2021 zeigte den Sportler*innen, wie sie momentan gegenüber ihrer Konkurrenz stehen. Ist diese Momentaufnahme (die ja überwiegend positiv verlief) wichtig für das Team gewesen und haben sie genügend Selbstvertrauen für das Mega Event Olympia getankt?

KP: Es wurde natürlich auch von Heimvorteil gesprochen, aber diesen muss man auch erst einmal umsetzen. Es war zum richtigen Zeitpunkt das richtige Signal. Wir haben als Trainerteam absolutes Vertrauen zum sportlichen Potential unserer Sportler und Sportlerinnen.

MS: In Zeiten der Pandemie und unter den strengen Maßnahmen leiden natürlich auch die anderen Nationen. Welches sind die größten Hindernisse und welche Konkurrenten könnten dem Team gefährlich werden ? Wie viele Länder haben ihre Sportler angemeldet ?

KP: Es sind alle großen und starken Nationen und Sportler und Sportlerinnen am Start, es haben sich die Besten ihres jeweiligen Landes qualifiziert. Es wird ein herausragender Wettkampf werden, davon bin ich überzeugt.

MS: Hannes Aigner und Sideris Tasiadis nehmen jetzt zum dritten Mal an Olympia teil. Die Erfahrung kommt ihnen sicher zugute. Sind die vertrauten Trainer und Physio auch wieder mit vor Ort? Die beiden Frauen Ricarda Funk und Andrea Herzog als Nesthäkchen haben ja ihre Klasse bei WM/EM schon unter Beweis gestellt. Das weckt natürlich Hoffnungen. Das Motto bei Deinem Amtsantritt lautete « Klares Ziel sind Medaillen bei Olympischen Spielen“ 

KP: Natürlich fahren wir nicht nur zu den Spielen um teilzunehmen, auch wenn dies das olympische Motto ist. Wir wollen um Medaillen kämpfen, deshalb fliegen wir nach Tokio. Es gibt keinen Grund sich zu verstecken, wir haben eine starke Mannschaft und eine gesunde Mischung aus Unbekümmertheit und Erfahrung. Andrea als amtierende Weltmeisterin als Nesthäkchen zu sehen, dazu bedarf es auch wie bei Ricarda schon eine gehörige Portion Understatement! Mit Thomas Appel und Felix Michel sind erfahrende Trainer in der Mannschaft, auch die zwei Trainingswissenschaftler vom OSP Bayern und dem IAT Michael Keim und Christian Käding waren bereits mehrfach bei den Spielen dabei. Und natürlich braucht es auch einen absoluten Top Physiotherapeuten wie Andreas Geißlinger einer ist.

MS: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Euch eine erfolgreiche Zeit und viel Glück in Tokio. 

 

fotocredit und Interview:Marianne Stenglein, Referentin für Presse, Kanu Schwaben Augsburg


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