10 Jahre gamescom in Köln: Ist eSport auch wirklich Sport?

Dienstag, 28. August 2018, 12:10 Uhr Thorsten Franzisi

eSport ist auch im Jahre 2018 immer noch nicht als Sportart in Deutschland anerkannt. Auch wenn bereits zu Beginn des Jahres sich die Politik im Koalitionsvertrag der Sache angenommen hat, fristet der auf Geschicklichkeit, Spielverständnis und Reaktionsgeschwindigkeit basierende Sport immer noch ein Nischendasein in der breiten öffentlichen Wahrnehmung. Dabei schauen mehr als 3 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal im Monat eSport-Matches oder sind live vor Ort.



Liest man diese Tage aufmerksam die Medien rund um die Videospiel-Messe gamescom, fällt schon seit einiger Zeit immer wieder der Begriff „eSport“. Was für die Einen seit der Pubertät etwas vollkommen Normales ist, hinterlässt bei anderen nur große Fragezeichen. Auch Entwicklungen wie beim FC Bayern, der im April dieses Jahrs die Gründung eines eigenen eSport-Teams bekannt gab, ändert dies nur langsam. Was genau ist eSport?

Der Begriff beschreibt die wettkampfbasierte Auseinandersetzung in Turnieren oder Wettkämpfen in Videospielen. Hierbei gibt es sowohl Mannschafts- als auch Einzelspieler-Wettkämpfe, verschiedene Arten von Spiele und innerhalb deren verschiedene Modi (Disziplinen). Dabei muss sich eSport als Sportart nicht verstecken: die Anforderungen an die motorische Aktivität und das damit verbundene Stresslevel liegt im vergleichbaren Bereich zum Motorsport. Dazu kommen geistige Anforderungen wie Räumliches Orientierungsvermögen, taktische Ausrichtung sowie vorausschauendes und laterales Denken. Schon 2016 sagte dazu Prof. Ingo Froböse, Experte für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule in Köln, in einem Interview mit Deutsche Welle, dass „eSport aus meiner Sicht anderen Sportarten mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen". Auch was die Strukturen betrifft, ist eine deutliche Professionalisierung der Szene zu spüren. Neben stadionfüllenden Events wie der bereits 2000 gegründeten Electronic Sports League (ESL) und den World Cyber Games, bemüht man sich in Deutschland mit dem neu gegründeten eSports-Bund Deutschland (ESBD) dem elektronischen Sport feste Strukturen zu etablieren und so die Akzeptanz zu fördern.


ESL Meisterschaft auf der gamescom 2018 Foto: Koelnmesse / Thomas Klerx

Wenn man sich auf der weltweit größten Videospielmesse „gamescom“ umsieht, wird einem schnell klar weshalb. Auf der Messe, die dieses Jahr einen neuen Rekord von rund 370.000 Besuchern verbuchen konnte, findet man allen Ecken Möglichkeiten sein Geschick unter beweis zu stellen. Dabei kommt inzwischen auch neue Technik zum Einsatz: Virtual bzw. Argumented Reality ermöglicht es den Spieler, mit der Spielwelt zu verschmelzen – natürlich mit dem dazugehörigen Körpereinsatz. Die populären eSport Titel und Klassiker sind im Moment aber „nur“ über einen Bildschirm spielbar und das ist vollkommen ausreichend.

Gemeinsam mit der großen Fanbase und der wachsenden Zahl an Athleten, die vom eSport leben können, entwickelt sich auch parallel dazu eine regelrechte Berichterstatter-Branche, genannt Show-Caster. Die KommentatorInnen hinken dabei an Professionalität und Entertainment in keinster Weise hinterher. Auch hier gibt es erstaunliche Talente, die den ein oder anderen Fußballkommentator in den Schatten stellen.


Holo auf der gamescom 2018 - Foto: Koelnmesse / Andreas Hagedorn

In der Videospielszene gibt es für was jedes populäre Spiel die Motivation sich auf hohen Niveau zu messen. Dies weckt natürlich auch Bestreben, bisher weniger eSport-fähige Spiele möglichst kompetitiv für die Zukunft zu gestalten. Beim großen Publisher Electronic Arts konnte man dies letztes Jahr wahrnehmen: neben dem Titel Battlefield 1, ein Ego-Shooter der im ersten Weltkrieg spielt, wurde eine eigene Entwicklung Battlefield 1: Incursions vorgestellt. Hier wurde intensiv in Zusammenarbeit mit der Community ein eigenes Spiel entwickelt, welches sich an eSportler richtet. Die Erfahrungen und Erkenntnisse daraus werden wohl auch im diesen Herbst erscheinenden nächsten Battlefield V einfließen. Auch hierzu wurden eSportler von Electronic Arts zum Testen eingeladen. Daniel „Opuss“ A. des Profi-eSport-Clans Vertex über den neuen Battlefield-Titel: „Man merkt, dass sich die Bewegungen und die Spielmechaniken zum Vorteil für uns eSportler entwickelt hat. BFV erfordert deutlich mehr Geschicklichkeit und wird damit allen kompetitiven Spielern besser gefallen als der Vorgänger. Es ist schön zu spüren wie Entwickler DICE den Rat der Community beherzigt.“

Selbstverständlich steht er und sein Team in den Startlöchern um den Siegertitel, sollte die Reihe in den professionellen eSport-Bereich gehen. In sogenannten Community-Ligen wie der Deutschen eSport Bundesliga (DESBL) oder der internationalen eSport Battlefield Liga (ESB) konnten sie bereits wichtige Siege erspielen. Und parallel dazu gibt es auch hierfür bereits Show-Caster, die sich auf die Feinheiten und Kniffe des Titels spezialisieren und sich auf den Erscheinungstermin freuen. Die Jungs von eSports Live Commentary verraten uns: „unser Ziel ist es, das professionelle Gaming in diesem Spiel auch einer breiten Masse von Gelegenheits-Spielern verständlich und schmackhaft zu machen. Denn so sorgen wir langfristig für ein hohes Niveau bei der kompetitiven Auseinandersetzung.“

Während für einige also immer noch die Frage im Raum steht, ob eSport tatsächlich Sport ist, engagieren sich andere schon seit Jahrzehnten für das wettkampfbasierte Kräftemessen bei Videospielen. Wir befinden uns erst am Anfang einer großen Entwicklung. Und das, wo bereits jetzt schon die Gamesbranche in Deutschland mit dem Umsatz der Filmbranche fast gleichauf ist.

Titelbild: Team Vertex mit Battlefield V in der EA business area auf der gamescom 2018 – Foto: Team Vertex / Daniel A. / Text Dennis Pryder


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